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panische sexuelle Angst
#1
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Hallo zusammen,
da ich neu hier bin und nicht genau weiß wie ich beginnen soll, stelle ich mich erst einmal vor. Ich bin Tom, Ende 17 Jahre alt und gerade Schüler im Abiturstress. Ich spiele leidenschaftlich gerne Fußball und auch Klavier.
Da es mir seit einer Woche (mal wieder) sehr schlecht geht und ich sehr aufgewühlt bin, habe ich meine Idee, sich in einem Forum anzumelden, um sich gegenseitig auszutauschen und mich vielleicht auch vor anderen Menschen als meiner Therapeutin öffnen zu können, erfolgreich umgesetzt. 
Seit ziemlich genau einem Jahr leide ich unter einer bestimmten Angst, von der bisher wenig wissen und auch im Internet recht wenig darüber steht. Ich habe extreme Angst, homosexuell zu sein. Damals gab es keinen festen Auslöser, ich war zu Hause und plötzlich kam mir dieser Gedanke in den Kopf und hat alles in mir zerstört (wie ein Tsunami, der eine ganze Stadt in nullkommanichts wegspült). Ich war für lange Zeit in einem Schockzustand, bin wie ein Zombie durchs Haus gelaufen und war überhaupt nicht mehr aufnahmefähig. Da die Situation für mich lebensbedrohlich wurde, rief meine Mutter letztes Jahr an Ostersonntag in der Klinik an. Einen Monat später wurde ich aufgenommen, war somit bis Anfang September (insg. 15 Wochen) in tagesklinischer Behandlung. Seit dem (und auch bereits vor der Klinikzeit) bin ich in ambulanter Therapie. Es gab viele Hoch- und Tiefphasen, die ich alle (mehr oder weniger gut) überstanden habe. 
Doch diesmal ist anders. Ich weiß derzeit kaum, mir zu helfen. Mit anderen Menschen (Familie, Freunde, etc.) mag ich kaum darüber reden, lebe bezüglich der Angst sehr isoliert, mag und kann mich kaum öffnen. Nach außen schein ich kerngesund und glücklich zu sein, im innersten Kern aber jedoch bin ich total aufgewühlt, ängstlich und verwirrt-verzweifelt. Ich habe diesmal jegliche Hoffnung verloren, wieder so zu werden wie früher, als es mir (im Vergleich zumindest) gut ging. 
Ich denke, wie alles anfing ist definitiv relevant. 
Ich war nie an Männern interessiert - um Gottes Willen. Ich war immer hetero orientiert. Vor diesem Angstgedanken habe ich mich um dieses Thema nicht gekümmert, einen Anlass dazu gab es auch nicht. 
Alles fing mit meiner depressiven Verstimmung vor ein paar Jahren an. Damals war ich in ein Mädel verliebt und wurde bitter enttäuscht. Ich fing an, mich an sie zu hängen und kam so auch lange nicht mehr von diesem unerträglichen Schmerz nicht mehr los. 
Bis ich ein neues Mädel kennengelernt habe. Dann ging es mir wieder echt gut, die Welt war so, wie sie sein sollte - bis auch sie mich versetzt hat und ich wieder getrauert habe. Ihr trauerte ich dann knapp ein 3/4 Jahr hinterher, damals begann ich dann auch erstmals, eine Psychotherapie wahrzunehmen. Ich war mit keinem der Mädels zusammen und trotzdem hat mich die Versetzung so sehr verletzt. Die Sehnsucht nach einer Beziehung stieg demnach extrem an. 
Ich lernte ein neues Mädel kennen. Ich verliebte mich wieder und war glücklich - und diesmal sollte es auch klappen. Ich war der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt. Ich war mit einem Mädel zusammen, für das ich starke Gefühle empfand. Die Welt war perfekt. Doch dann, nur ein Monat nach Beziehungsbeginn, ging sie auf einen dreimonatigen Austausch nach Frankreich. Dieser Schmerz, den ich durch diesen extremen Entzug spürte, spürte ich noch nie zuvor. Wir waren frisch zusammen und sie war 1.200km weit enfernt. 
Da begannen dann die ersten Symptome der Angststörung. Nach einem Monat Fernbeziehung bekam ich die panische Angst, mich in ein anderes Mädel zu verlieben. Ich war panisch, total aufgelöst. Sowas kannte ich von mir gar nicht. Im Nachhinein kann ich durch Gespräche in der Therapie sagen, dass diese Angst ein Schutzmechanismus sein könnte, um mich vor der Trauer der Fernbeziehung zu schützen. Um an andere Sachen zu denken, vielleicht eine Ablenkung vor dem eigentlichen Problem. Als meine Freundin nach drei Monaten wiederkam, namen die Symptome ab und es besserte sich. 
Schlimm wurde es dann richtig, als meine Freundin zwei Monate später endgültig Schluss machte. Für mich kam dies aus dem heiteren Himmel und ich war dementsprechend am Boden zerstört. Bis heute kann ich nicht mehr mit ihr richtig reden, höchstens ein bis zwei drei Wörter. 
Die Trauer, die Sehnsucht und der Wunsch nach weiblicher Nähe und Liebe wurde immer und immer größer, es sammelte sich ein riesiger Stau an Gefühlen an. Ein paar Monate später fingen die Angstsymptome wieder an. ich bekam die Angst, mich in eine gute Freundin verliebt zu haben. Ich war in mich isoliert, konnte an nichts anderes mehr denken und war für andere abwesend. Diese panische Angst kannte ich in diesem Ausmaße schon. Ich merkte aber, dass ich anfälliger wurde. Dieser Angstgedanke löste sich nach ca. einer Woche, sollte jedoch schnell wiederkommen. Nur einen Monat später bekam ich die Angst, mich in eine Lehrerin meiner Schule verliebt zu haben. Ausgelöst wurde dies, indem ich in einem Filmabspann ihren Vornamen zufälligerweise gelesen habe. Auch dieser Gedanke fesselte mich, ließ mich nicht mehr los, fraß mich auf. Ab diesem Zeitpunkt wurde es wirklich schlimm. Ich musste nur an ein Mädel denken und bekam sofort die Angst, mich in sie verliebt zu haben. Ich musste einem Mädel teilweise nur ins Gesicht schauen - die Angst kam. 
Mit der Zeit wurde es immer und immer schlimmer, die Angst richtete sich dann nicht mehr nur gegen Mädels, sondern auch gegen Jungs meines Alters. Und irgendwann wurde auch das immer schlimmer, die Altersklasse wurde auch immer irrelevanter. Ich habe einem 60-jährigen Mann ins Gesicht geschaut und der Angstgedanke kam.
Und dann - Osterferien 2019 - kam dann der Angstgedanke, homosexuell zu sein. Diese Angst sprengte alles um etliche Dimensionen. 
Ich litt unter extremen Kopfschmerzen, ich hatte und habe das Gefühl, dieser Gedanke strömt durch meinen Körper (gerade mein Bauch ist in Krisenzeiten sehr warm und aufgewühlt - falls das jemand kennt), und brüllt mich in extremer Lautstärke an - permanent. 
Ich entschuldige mich für diesen langen Text. Ich hoffe, er ist nicht ZU lang und jemand hat es bis hier unten geschafft. 
Es wäre toll, jemanden zu finden, der mich versteht. Der diese Angst vielleicht auch kennt. 
Grüße, Tom
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#2
Hallo Tom,

herzlich willkommen bei uns im Forum.
Es ist doch nichts Schlimmes sich in jemanden zu verlieben und auch nicht, wenn du Gefallen an einem Jungen finden würdest. leider gibt es auch immer wieder Enttäuschungen, wenn man mit jemandem zusammen ist und die Person plötzlich Schluss macht. Aber man lernt doch immer wieder jemanden kennen und irgend wann kommt auch die oder der Richtige.
Du bist auch noch sehr jung und daher gibt sich das mit Sicherheit alles wieder.
Aber gut schon mal, dass du in Therapie bist.

Gruß
Karin
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#3
Hallo Karin,

danke für deine Antwort. In deinen Augen und auch in denen vieler Anderer mag es vielleicht nicht schlimm sein, so dachte ich auch vorher. Selbst wenn man es sich vorstellen würde, wäre es wohl kein Problem. Ich jedoch reagiere da ein wenig anders, eine strikte und auch panische Ablehnung. Ich denke, durch den Lauf der Zeit hat sich der Gedanke mehr und mehr eingebrannt in meinen Kopf. Der Gedanke modifiziert sich ständig, ergreift immer mehr Platz ein und fühlt sich zumindest immer mehr real an.
Stichwort "panisch": Allein, als ich gesehen habe, dass mir jemand auf den Beitrag geantwortet hat, explodierten in mir tausend Bomben vor Nervosität und Anspannung.
Es ist für mich kaum erträglich, darüber nachzudenken, auch nach einem Jahr.

Grüße Smile
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#4
Ich verstehe dich sehr gut und weiß, was in dir vorgeht, Tom.
Am besten hilft es wohl es zu akzeptieren, dass es im Moment so ist bei dir, dann flacht das auch am schnellsten wieder ab. Auch wenn es schwer fällt, denn dann hat die Angst keinen Grund mehr, sich so stark zu zeigen.
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#5
Hallo Tom,
danke für deinen mutigen und klaren Bericht. Viele hier, auch ich, kennen diese Gefühlsbomben, den Stress, die Panik, die Verzweiflung, die „eingebrannten“ Gedanken, die alles bestimmen und einen verrückt zu machen drohen. Du spielst gern Fußball und gern Klavier. Du bist also sehr breit aufgestellt und talentiert. Außerdem bist du intelligent und sensibel. Ich lese das aus deinem Text heraus. Ist dein Freundes- und Bekanntenkreis antischwul eingestellt? Deine Eltern? Warum sagst du „Ich war nie an Männern interessiert - um Gottes Willen. Ich war immer hetero orientiert“? Liebe und Sexualität sind kein „Interesse“ sondern seelische und körperliche Wunder des Lebens. Zum Glück leben wir heute in einer Welt, in der du frei bist, was deine romantischen Sehnsüchte und Gefühle betrifft. Einfach sind die Wege in der Liebe nicht, aber dass du dich so heftig stresst, das scheint mir ein Indiz dafür zu sein, dass du versuchst, dich nach einem bestimmten Bild zu richten, das von außen stammt und nicht von dir selbst. Ich wünsche dir Freunde, die dich verstehen, bei denen du so sein kannst wie du bist (auch mit diesen panischen Ängsten) und denen du keine Rolle vorspielen musst, höchstens mal ein schönes Stück (zum Beispiel „Claire de Lune“ von Claude Debussy) auf dem Klavier.
Liebe Grüße!
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#6
Hallo Tom,

erstmal: Wow, du bist noch so jung und bist so eloquent und offen. Toll, dass du deine Gedanken hier teilst. Obwohl ich ein bisschen überfordert bin mit diesem "Störungsbild". Ich kann mich da meiner Vorrednerin erstmal anschließen, mich interessiert auch sehr warum du solche Angst davor hast, homosexuell zu sein!? Zunächst ist das ja überhaupt nichts Schlimmes, an sich. Wenn man allerdings ein soziales Umfeld hat, was dieses Thema komplett unter den Tisch kehrt oder gar verteufelt, ist es natürlich fürchterlich schwer dazu zu stehen. Aber aus deinem Text erkenne ich, dass du nicht homosexuell bist. Wenn du es wärst, würdest du es spüren, in Form von Gefühlen und du hättest nicht plötzlich solche Angst davor.
Egal wovor man Angst hat, der Umgang damit ist, denke ich, immer derselbe, denn das Gefühl ist auch immer dasselbe. Versuche zu verstehen, was genau dir an diesem Gedanken Angst macht, wie wahrscheinlich es ist und ob es denn wirklich so schlimm WÄRE. Eigentlich weißt du ja schon, dass du nicht schwul bist. Und deshalb ist es wohl wichtig herauszufinden, woher die Angst tatsächlich kommt. Den Schutzmechanismus hast du bereits angesprochen, das kann durchaus sein. Du versuchst dich vielleicht mit der Angst vor den Menschen davor zu schützen wieder enttäuscht zu werden. Aber Enttäuschung gehört zum Leben dazu, das muss dir klar sein. Das klingt jetzt so altklug, aber du bist noch so jung... In den seltensten Fällen lernt man heute mit 17 die Frau für's Leben kennen. Und aus deinem Text entnehme ich, dass du bei deinen letzten Beziehungen noch jünger warst.
Du gehst in Beziehungen vllt schon mit der Grundangst. Vielleicht musst du erst deine Ängste richtig verstehen lernen, bevor du eine neue Beziehung eingehst. Ich würde dir zumindest dazu raten, ein bisschen zu warten, auch wenn die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit groß ist. Die letzten drei Male hat es dich regelrecht kaputt gemacht, als die Beziehung beendet wurde.

Ich denke, dass deine Angst nicht speziell der Angst vor der Homosexualität zugrunde liegt. Es scheint mir sehr viel komplexer und es ist gut, dass du in einer Therapie bist. Denn ich denke, das ist das einzige, was auf lange Sicht hilft.

Wenn die Angst kommt, versuche dich von ihr abzulenken, auch das ist bei jeder Angst dasselbe. Du bist scheinbar eine kleine Dramaqueen- das bin ich übrigens auch. Big Grin Ich kann mich auch sehr gut in Gedanken rein steigern, Kopfkino spielen ohne Ende! Manchmal denke ich daran, wie ich mich fühlen würde, wenn mein Freund schwer krank ist...ich spinne die Gedanken dann so weit, dass ich mich selbst zum Weinen bringe. Ist das bei dir vllt ein ähnlicher Prozess? Der Gedanke, dass du jemandem ins Gesicht schaust und dich sofort verliebst hat sich so manifestiert, dass du davor bist, es wirklich zu glauben. Schiebe den Gedanken bei Seite, nehme ihn war, aber schiebe ihn bei Seite. Lenke dich ab.
Ich habe sie hier schon zig Mal empfohlen und ich tue es wieder: Schau dir die Bücher von Claudia Croos- Müller an. Es gibt auch eine App von ihr, sie heißt Body2Brain. Das sieht alles sehr kindlich illustriert aus, ist aber durchaus wirksam und super einfach erklärt. Wenn die Angst kommt ist es eigentlich egal was du machst, Hauptsache du lässt sie dich nicht bestimmen. Höre laut Musik, tanze durch dein Zimmer, achte auf deine Atmung- Meditation hilft mir auch unheimlich! Ich bin mir absolut sicher, dass ich meine Angst niemals so unter Kontrolle bekommen hätte, wenn ich diese ganzen wunderbaren Ãœbungen nicht kennen würde, ich schwöre darauf.
Versuche das Drama aus deinem Kopf zu verbannen. Gib dir aber Zeit. Wenn du das Drama brauchst, stelle dir einen Wecker, gib dir 10 Minuten und dann steige aus aus diesen Gedanken, mache etwas völlig anderes, etwas, was dich glücklich macht.

Ich weiß nicht, ob dir das alles hilft, ich hoffe es so sehr... und ich wünsche dir ganz ganz viel Kraft! Es ist schwer, ich kenne das... aber lass dich von der Angst nicht bestimmen. Das schöne ist, dass DU alleine die Macht darüber hast. Gerade hast du dich sehr ins negative konditioniert, aber du kannst es auch wieder umdrehen und dich genauso wieder in positive Gedanken verrennen! Unser Gehirn ist so steuerbar.... Erschreckend, aber in dem Fall gibt es Hoffnung!
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#7
Hallo DoubleYou,

danke für deine Antwort. Ich habe schon von vielen gehört, ich sei sehr intelligent und sensibel, gerade bei der Intelligenz habe ich aber das Gefühl, sie schadet mir derzeit eher, da ich sie eher zum Analysieren meiner eigenen Person und Gedanken etc. benutze.
In meiner Familie ist keiner "anti-schwul" eingestellt, ich kenne auch ein paar wenige, die homosexuell sind. Es gibt eigentlich kein Problem diesbezüglich, jedoch wird aber auch nicht sehr häufig darüber gesprochen. Meine Anti-Formulierung bzgl. "um Gottes Willen" ist ebenfalls natürlich nicht homophob gemeint, es ist eher die Angst, die dort aus mir gesprochen hat.
Tatsächlich probiere ich mich mit Klavier und Musik häufig abzulenken. Musik gibt mir einfach ein extrem positives Gefühl. Aktuell spiele ich besonders gerne "Ich lass für dich das Licht an" von Revolverheld. Habe ich mir im letzten Sommer selber beigebracht und verändere manche Parts im Stück ganz so, wie es mir gefällt. Ganz ohne Noten natürlich, alles im Kopf  Wink
Viele Grüße!
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#8
Hallo Caracol,

danke für deine tolle und auch lange Antwort! Ich weiß den Zeitaufwand dafür sehr zu schätzen.
Ich habe bisher selten so viel positive Energie und Verständnis in einer (schriftichen) Nachricht bekommen. Dementsprechend hat mich deine Nachricht sehr froh gemacht und auch erleichtert. Dafür bin ich dir sehr dankbar!

Ich habe sehr viel aus deiner Nachricht in mir wieder erkannt. Auch das hat mich sehr überrascht und umso mehr gefreut. Es ist schön zu wissen, dass es auch andere Menschen gibt, die so sind wie ich (Klingt so einfach gesagt, meine ich aber wirklich ernst), die die gleichen oder ähnliche Prozesse im Kopf durchlaufen. Auch wenn man sich natürlich wünscht, dass es keinem so geht. Big Grin 
Wie gesagt hat es mich wirklich sehr gefreut, deine Nachricht zu lesen. Und ich denke auch, dass ich sie in Zukunft noch weitere Male lesen werde.

Tatsächlich habe ich auch einen ähnlichen Prozess, wie du ihn mir mit deinem Freund beschrieben hast. Mir kommt ein Gedanke in den Kopf und je länger ich darüber grüble und mich im Kreis drehe, umso schlimmer, intensiver und auch realistischer wird er. Man befindet sich schon fast in einer anderen Welt, einer anderen Dimension. Eine Dimension, in der sich alles nur um dieses eine Thema dreht.

Dass ich eine Dramaqueen bin, habe ich bereits früher von meinem großen Bruder gehört. Ich vertiefe mich einfach so stark in (Angst-)Gedanken, dass alles andere ausgeblendet wird und eine, zT. auch total irrationale Angst entsteht. Diesem Prozess bin ich tatsächlich schon oft zum Opfer gefallen. Big Grin

Ich bedanke mich auch für deine Tipps! Die App habe ich mir direkt runtergeladen, ich schaue sie mir gleich mal an! Dass sie dir geholfen hat, freut mich sehr für dich. Manchmal hat man das Gefühl, dass man total verloren ist und einem keiner helfen kann. Da ist diese Soforthilfe über eine App bestimmt eine tolle Möglichkeit. Ich bin sehr gespannt.

Viele Grüße!
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#9
(01.05.2020, 19:54)SorryThatsMe schrieb: Hallo DoubleYou,

danke für deine Antwort. Ich habe schon von vielen gehört, ich sei sehr intelligent und sensibel, gerade bei der Intelligenz habe ich aber das Gefühl, sie schadet mir derzeit eher, da ich sie eher zum Analysieren meiner eigenen Person und Gedanken etc. benutze.
In meiner Familie ist keiner "anti-schwul" eingestellt, ich kenne auch ein paar wenige, die homosexuell sind. Es gibt eigentlich kein Problem diesbezüglich, jedoch wird aber auch nicht sehr häufig darüber gesprochen. Meine Anti-Formulierung bzgl. "um Gottes Willen" ist ebenfalls natürlich nicht homophob gemeint, es ist eher die Angst, die dort aus mir gesprochen hat.
Tatsächlich probiere ich mich mit Klavier und Musik häufig abzulenken. Musik gibt mir einfach ein extrem positives Gefühl. Aktuell spiele ich besonders gerne "Ich lass für dich das Licht an" von Revolverheld. Habe ich mir im letzten Sommer selber beigebracht und verändere manche Parts im Stück ganz so, wie es mir gefällt. Ganz ohne Noten natürlich, alles im Kopf  Wink
Viele Grüße!


Ja, ich habe mir früher oft gewünscht einfach ganz „einfach“ zu sein. Hohe Sensibilität, Kreativität, Phantasiebegabung und ein starkes Vorstellungsvermögen können eine regelrechte Plage werden. Aber heute sehe ich es anders, jeder Mensch hat seine „Plagen“. Der „Einfache“ leidet genauso wie der „Komplizierte“, jeder hat seine Themen und Baustellen. Die Aufgabe besteht darin, seine Talente und Stärken in eine gute Richtung zu lenken und Musik ist eine der besten Richtungen. Damit hast du dir eine der wirkungsvollsten „Therapien“ (neben anderen) schon selbst an Land gezogen. Du hast deinen Bericht überschrieben mit „panische sexuelle Angst“, ich nehme es wörtlich und denke, die Angst ist sexueller Natur. Deine Angstreaktionen können aus einer großen Sensibilität stammen und sich bis zur Unerträglichkeit hochschrauben, weil dir einerseits Nähe und Intimität (Sexualität) fehlen und andererseits aber Verletzung bedeuten könnten. Das ist ein aufgeladenes Spannungsfeld. Ich befinde mich jetzt hier auf Glatteis, möchte dir aber Mut machen, denn letztlich bist du der „Herr im Haus Tom“ und brauchst nichts zu tun, das dich verletzt, sondern kannst jede Begegnung so mitgestalten, dass es für dich stimmt und sich gut anfühlt. Und die Tips von Caracol sind sehr gute, das mit dem laut Musikhören, Tanzen und bewusst Atmen habe ich auch oft angewendet. Sich nicht der Angst/Panik hingeben, sondern aktiv sein und sich bewegen – Angst ist Enge, Lebensfreude ist Weite … 
Liebe Grüße
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#10
Hallo Tom,

ich kann zwar nicht 1:1 nachvollziehen, wie es mit deiner Angst ist. Allerdings kenne ich ähnliche, sehr viel harmlosere, Denkmomente von mir selbst. Da gucke ich jmd ins Gesicht und denke "Oh, was wäre, wenn ich die Person liebe würde". Bei mir löst dieser Gedanke dann nur keine Angst aus. Ich gebe mich dann ganz kurz diesem Gedankenspiel hin und komme zu dem Entschluss, dass der Gedanke eben nur ein Gedanke war und da keinerlei Gefühle bei sind. 

Als ich deinen Beitrag gelsen habe, hat sich mir eine Frage gestellt, die ich dir gerne stellen möchte: Angenommen, du würdest tatsächlich feststellen, in eine Person verliebt zu sein, vor was genau hast du da Angst?

Ich hoffe dir geht es zwischenzeitlich schon etwas besser!

Viele Grüße

bmx
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#11
(07.05.2020, 22:32)bmx04 schrieb: Hallo Tom,

ich kann zwar nicht 1:1 nachvollziehen, wie es mit deiner Angst ist. Allerdings kenne ich ähnliche, sehr viel harmlosere, Denkmomente von mir selbst. Da gucke ich jmd ins Gesicht und denke "Oh, was wäre, wenn ich die Person liebe würde". Bei mir löst dieser Gedanke dann nur keine Angst aus. Ich gebe mich dann ganz kurz diesem Gedankenspiel hin und komme zu dem Entschluss, dass der Gedanke eben nur ein Gedanke war und da keinerlei Gefühle bei sind. 

Als ich deinen Beitrag gelsen habe, hat sich mir eine Frage gestellt, die ich dir gerne stellen möchte: Angenommen, du würdest tatsächlich feststellen, in eine Person verliebt zu sein, vor was genau hast du da Angst?

Ich hoffe dir geht es zwischenzeitlich schon etwas besser!

Viele Grüße

bmx

Hallo bmx,

ich weiß es tatsächlich nicht. In mir löst dieser Gedanke einfach eine Panik aus, da dieser Gedanke gegen meinen Willen in meinem Kopf ist. Genau zu sagen, was es ist, ist sehr schwer zu sagen. Es könnte sein, dass ich Angst habe, in eine Beziehung zu geraten, die ich nicht will, die nicht funktionieren kann und auch nicht würde (zB. mit der Lehrerin), wodurch neuer Leidensdruck entsteht. Generell, eine Beziehung zu haben, die mir nicht gut tun würde. 
Das hat sich wohl immer weiter verfestigt und wird immer schlimmer und intensiver.
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#12
Hallo an alle,

ich möchte zu meiner aktuellen Situation ein Update geben, denn es hat sich ein wenig getan.
Die Gedanken sind mal wieder besonders stark, ich hangel mich momentan immer von Therapiesitzung zu Therapiesitzung (alle zwei Wochen). In der ersten Woche geht es mir eigentlich relativ gut, die zweite Woche wird dann der Horror. So wie momentan auch wieder. Ich bin deshalb dabei, den Klinikwunsch (nach Geburtstag und Abiturklausuren ab nächster Woche) in die Realität umzusetzen.

Wie ich oben wahrscheinlich bereits geschrieben habe, fällt es mir schwer, zwischen Panikgefühlen, Stressgefühlen und echten positiven Gefühlen zu unterscheiden. Mittlerweile ist alles irgendwie gleich. Die Lage spitzt sich immer weiter zu, ich hatte gestern einen Nervenzusammenbruch, da ging eigentlich gar nichts mehr. In mir wirbelt ein riesiger Gefühlscocktail, der mir mittlerweile den Verstand raubt. Kennt das jemand, wenn der Bauch plötzlich und ganz kurz extrem heiß wird?
Da die Gedanken und Gefühle immer realistischer werden, glaube ich immer weniger daran, dass es sich dabei (nur noch) um die Krankheit handelt und ich mir lediglich probiere, die eigentliche Wahrheit auszureden. Auch das verunsichert mich sehr.
Blicke ich jedoch auf den Anfang der ganzen Geschichte zurück, macht es irgendwie auch keinen Sinn. Es gibt so viele Widersprüche in mir, ich kann kaum noch sortieren und einordnen.
Meine Angst löst zudem extreme soziale Unsicherheiten aus. Ich vermeide mittlerweile immer mehr den Kontakt zu Menschen außerhalb meiner Familie. Es könnte ja emotional etwas in mir passieren, was ich nicht will. In der Schule haben wir vorgestern unseren "inoffiziellen" letzten Schultag gefeiert und ich habe mich total zurückgezogen und letztendlich im Schulgebäude verkrümelt, während alle draußen gefeiert haben.

Das Lernen für das Abitur lässt zudem kaum zu, dass ich mich ausruhen kann. Andererseits lassen meine Probleme kaum zu, produktiv zu lernen. Ich kann die ganzen Wirtschaftstheorien und Sozialmodelle nicht mehr sehen, genauso wenig wie die ganzen Dramen und Novellen. Auch wenn ich in Büchern wie "Der Sandmann" von E.T.A. Hoffmann und "Das Haus in der Dorotheenstraße" von Hartmut Lange, in denen es um den Wahrnehmungsverlust der Realität und gestörte subjektive Wahrnehmungen geht, durchaus Parallelen zu mir sehe. Ab und zu habe ich den Wunsch, einfach in die Vergangenheit zu reisen und alles Geschehene (ab einem gewissen Zeitpunkt) rückgängig zu machen. Denn so wie ich momentan lebe, ist es nicht besonders zu genießen.

Ich wünsche noch einen schönen Tag,
Tom
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#13
Hallo zusammen,

ich möchte mich nach einem halben Jahr noch einmal zurückmelden. Im letzten halben Jahr ist sehr viel passiert und ich möchte diese Geschichte gerne mit denen unter euch teilen, die sich noch an meinen Beitrag erinnern können und mir die vielen und langen Antworten geschrieben haben.

Mittlerweile geht es mir deutlich besser, in dem halben Jahr habe ich große Erfolge feiern können.
Ich begriff, wozu meine Angstgedanken da waren, denn sie hatten eine Funktion. Diese Angstgedanken, die mich über ein Jahr lang rum um die Uhr quälten, dienten als Schutzmechanismus, um mich vor einem noch viel größerem Leiden zu beschützen.
Bei mir war dieses Leiden extrem starke Sehnsucht nach Liebe und Nähe (daher passt die Thematik meines Angstgedanken auch so „gut“).

Mit der Zeit habe ich diese Theorie, aufgestellt von meiner Therapeutin, immer mehr verstanden und auch in der Realität wiedererkannt. Als ich dann im Sommer in ein großes Loch fiel, kam die Rettung in Form eines Bundesfreiwilligendienstes. In der Zeit nach dem Abitur im Juni 2020 hatte ich nichts zu tun und mir ging es wieder sehr schlecht, der Bundesfreiwilligendienst ab September tat mir aber sehr gut. Ich lernte viele neue tolle Leute kennen, habe wieder Struktur gefunden, neue Aufgaben gehabt und einen neuen „Lebensraum“ kennengelernt. Der Beginn dieses neuen Lebensabschnittes sorgte bei mir für die Wendung, auch wenn ich dort eine Frau kennengelernt habe, der ich mich nach den Ängsten und auch der Sehnsucht  wieder öffnen konnte, ich habe Vertrauen entwickelt. Auch wenn daraus nie etwas geworden ist, habe ich zum ersten Mal wieder dieses positive, glückliche, unbeschreibliche und v.a. ECHTE Gefühl vom Verguckt sein gespürt. Genau das Gefühl, dass ich mir in der langen langen Zeit aus Angst vor der Homosexualität bei Kerlen eingeredet habe.
Dieses ECHTE Gefühl wieder zu spüren hat mir gezeigt, dass ich es so gut wie geschafft habe. Seitdem fühle ich mich wie neu (oder auch ganz der Alte, je nachdem wie mans sieht Wink ) , auch wenn ich ab und zu noch Rückschläge bemerke, nicht nur bei der Angst, sondern auch bei meiner Depression. Aber diese Rückschläge halte ich mittlerweile aus, komme schnell wieder da heraus und kann mich für Dinge begeistern, und das während des Lockdowns.

Wer es bis hier unten geschafft hat und der auch an solchen Angstgedanken leidet, unabhängig vom Thema, dem möchte ich zum Nachdenken bringen. Denn was mir geholfen hat, kann auch anderen helfen.
Drum fragt euch, liebe Betroffene, haben vielleicht eure Angstgedanken, eure Panikattacken, eure Dämonen, haben all diese Dinge vielleicht eine Funktion? Sind sie ein Schutzmechanismus? Schützen sie euch vor einem noch viel größeren Leiden? Vielleicht ein Leiden, dessen Ursprung noch weiter in der Vergangenheit liegt?

Ich wünsche allen während des Lockdowns viel Kraft und Durchhaltevermögen.
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#14
Hallo,

das klingt sehr gut und freut mich sehr für dich.
Ich wünsche dir alles Gute weiterhin.

Gruß
Karin
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#15
Angst hat ja sehr wohl eine Schutzfunktion, evolutionär betrachtet. Keine Frage. Und auch Angststörungen wird es immer gegeben haben, halt in niedrigerem Ausmass, denn getriggert werden diese Neurosen durch Umweltfaktoren. Wir beschäftigen uns stark mit uns selber, nehmen uns und unser Schicksal viel zu wichtig, und daraus entstehen bei entsprechender Prädisposition die klassischen Neurosen. Neben Angst auch Zwang etc.
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