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angstfrei
#1
Hallo ihr,

Letztens habe ich mich mit einem Freund getroffen und wir sind irgendwie auf das Thema Angst gekommen. Da ist mir seit langer Zeit wieder einmal eingefallen, dass ich mindestens 6 Jahre lang an schlimmen Panikattacken litt. Mir ist eingefallen, dass ich damals in diesem Forum Trost und Hilfe gefunden habe (- vielleicht war es auch ein anderes Forum zum Thema Angst, ich bin mir nicht mehr sicher). Und dass ich mir damals geschworen hatte, falls ich diese Panik jemals loswerden sollte, einen Beitrag darüber zu schreiben und anderen hoffentlich Mut machen zu können. Leider stellt sich in Foren rund um Krankheiten und Probleme natürlicherweise eine Art Ungleichgewicht ein, welche Erfolgsgeschichten und Gesundung marginalisiert - einfach deshalb, weil gesundete Menschen eben gerne ihre vergangenen schweren Zeiten vergessen und sich auf die Zukunft konzentrieren und insofern als Klientel des Forums verschwinden. Vielleicht hilft es, sich dies immer mal wieder bewusst zu machen: viele Forum-TeilnehmerInnen, welche sich in Luft aufgelöst haben, leben heute irgendwo angstfrei vor sich hin. :-)

Naja, wie dem auch sei, hier ein paar Zeilen zu meiner Geschichte:
Im Jahr X ist mein Vater relativ plötzlich an einer schlimmen Krankheit gestorben. Mir war das damals nicht so bewusst, aber mein Vater hatte mir im Leben so ziemlich alles gegeben: Sicherheit, Liebe, Moral, Bestätigung und Freiheit. Sein Tod hat mich in eine tiefe Krise gestürzt, da mir all diese wichtige Unterstützung abhanden gekommen ist. Kurz nachdem ich seinen toten Körper im Krankenhaus besucht habe, überwältigte mich meine erste Panikattacke - Schwindel, Schweissausbruch, Ãœbelkeit und Angst. In den nächsten Monaten hat sich dies wiederholt, dann verstetigt. Anschliessend sind weitere Symptome hinzugekommen: Depressionen, Schlaflosigkeit, Schmerzen. Die Symptome zeigten sich in verschiedenen Situationen und Umgebungen, wobei ich auch nicht immer nachvollziehen konnte, wann es nun so weit war; typischerweise aber bei Prüfungen, Vorträgen, Reisen, und leider auch in Beziehung und Sexualität. Ein Jahr später hatte ich die Zusage für ein Praktikum in Paris bekommen und bin dorthin gezogen. Dort hat es mir komplett den Boden unter den Füssen weggerissen - jeden Tag Panik, Angst wahnsinnig zu werden, Psychiater, Betablocker, Antidepressiva. Nach Ablauf des Praktikums hätte ich die Anstellung verlängern können, bin jedoch nach Hause zurückgekehrt, um wieder gesund zu werden. In Deutschland habe ich mit einer Verhaltenstherapie begonnen, die mir sehr geholfen hat. In den folgenden Jahren wurde es etwas besser, allerdings hatte ich immer noch riesige Angst vor bestimmten Umgebungen und Situationen (Sprechen vor Leuten, Flugreisen, Stau).
Im Jahr Y bin ich nach England zu meiner Freundin gezogen und habe einen neuen Job begonnen. Die Stimmung unter KollegInnen dort war nicht gut, der Chef war anerkannt ein Menschenfresser. Die Symptome, Angst, depressive Verstimmungen und Schlaflosigkeit, verstärkten sich wieder, hinzu kamen starke, chronische Bauchschmerzen, Verdauungsprobleme, Rückenschmerzen. Ich habe ein Heidengeld in verschiedene Behandlungen gesteckt; inkl. Verhaltenstherapie, Akupunktur, Chiropraktik, chinesische Diäten, Hypnose, Osteopathie, Mindfullness, dazu Yoga und andere Sportarten. Irgendwie hat alles geholfen, irgendwie auch gar nix. Gut war auf jeden Fall, dass ich mich so mit verschiedenen problematischen Facetten meines Lebens auseinandersetzen musste - meine biographische Geschichte (Umgang mit Tod des Vaters), meine beruflichen Vorstellungen (Ergeiz, starke Abhängigkeit von Bestätigung, etc.), komplizierte Beziehungsmuster, aber eben auch Körperliches (zu viel Alkohol, Kaffee, schnelles Essen).

Irgendwann wussten die Ärzte auch nicht mehr weiter, bzw. meinten sie, ich solle jetzt vielleicht doch mal meinen Job kündigen. Es ging natürlich eine Weile, bis ich soweit war, aber irgendwann habe ich das dann geschafft. Geholfen hat mir, dass ich nochmal eine Ausbildung begonnen habe und mich dort mit Dingen auseinandersetzen konnte, die mir Spass machten. Im gleichen Moment ist aber auch meine Beziehung zerbrochen, ich musste umziehen, einen neuen Job finden, mich neu orientieren. Vor all dem hatte ich vorher riesige Angst gehabt: dass mich meine Freundin verlassen könnte, dass ich keine Arbeit finden würde, dass sich die Schatten der Angst wieder ins Unermessliche ausbreiten würden, Wahnsinn, Psychiatrie, Tod.

Aber: es ist nichts von all dem passiert. Ja, ich habe geweint, weil ich meine Freundin liebte, aber einfach nicht mehr mit ihr zusammen sein konnte. Es war so traurig. Und ich hatte Angst davor, meinen Lebensunterhalt nicht bestreiten zu können. Aber es war einfach alles anders. Ich weiss auch nicht, wie sich das am besten beschreiben lässt. Es fühlte sich einfach alles leichter und sinnhafter an, ja: meine Gefühle machten plötzlich mehr Sinn. Sie hatten sich von Zombies in etwas schwierige Freunde oder Familienmitglieder verwandelt - auch die Traurigkeit und die Angst. Ich wusste plötzlich, dass ich vorher in einem Leben gefangen war, welches nicht zu mir passte. Und dass meine Gefühle mit dieser Situation nicht umgehen konnten, einfach nicht einverstanden waren, mit dem, was ich so anstrebte und sein wollte.

Ich hatte dann immer mal wieder Episoden mit Angst, aber es war nicht schlimm. Es gehörte einfach zu mir. Und ich habe versucht, besser in mich hinein zu hören, auch zu akzeptieren, wenn mal etwas nicht so funktionierte, wie ich es mir mit dem Kopf ausgedacht hatte - vielleicht kann man dies wirklich am besten mit dem Gefühl der Achtsamkeit beschreiben.

Wie auch immer. Als es dann immer besser ging, habe ich zunehmend vergessen, wie schlimm diese Zeit gewesen war. Nun schreibe ich diesen Text und könnte nicht mehr ausmachen, wann ich das letzte Mal von einer Angstattacke weggeblasen wurde. Es kann sogar sein, dass es noch einige Male in Richtung ging. Aber eben, es war einfach nicht mehr dasselbe - keine Angst vor der Angst, Angst vor dem verrückt werden, ihr kennt das ja. Ich würde sagen, die letzte richtige Attacke überkam mich vor etwa 6 Jahren.

Jede unserer Biographien ist natürlich sehr persönlich, jede Situation einzigartig. Ich möchte mit meiner Geschichte nicht suggerieren, dass die Angst jede und jeden verlassen kann und wird. Im Gegenteil. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie auch mich mal wieder heimsuchen wird. Sie gehört einfach zu mir, auch wenn wir uns in letzter Zeit etwas aus den Augen verloren haben. Aber ich möchte all jenen Mut machen, die hier im Forum gefragt haben: kann das denn überhaupt irgendwann aufhören?? Ja, es kann. Und ihr schafft das.

Alles Liebe und viel Kraft,
wünscht Sam
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#2
Hallo Sam,

vielen Dank, dass du uns von deinem Erfolg berichtest. Du hast Recht, dass die meisten, die im Forum nicht mehr aktiv sind "geheilt" sind bzw. ihnen gut geht. Von einigen weiß ich es sogar.
Es freut mich sehr, dass du es geschafft hast und ganz bestimmt vielen Mut machst.

Gruß und weiterhin alles Gute,
Karin
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#3
Dank für die Informationen
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