28.04.2020, 13:11
Hallo zusammen,
da ich neu hier bin und nicht genau weiß wie ich beginnen soll, stelle ich mich erst einmal vor. Ich bin Tom, Ende 17 Jahre alt und gerade Schüler im Abiturstress. Ich spiele leidenschaftlich gerne Fußball und auch Klavier.
Da es mir seit einer Woche (mal wieder) sehr schlecht geht und ich sehr aufgewühlt bin, habe ich meine Idee, sich in einem Forum anzumelden, um sich gegenseitig auszutauschen und mich vielleicht auch vor anderen Menschen als meiner Therapeutin öffnen zu können, erfolgreich umgesetzt.Â
Seit ziemlich genau einem Jahr leide ich unter einer bestimmten Angst, von der bisher wenig wissen und auch im Internet recht wenig darüber steht. Ich habe extreme Angst, homosexuell zu sein. Damals gab es keinen festen Auslöser, ich war zu Hause und plötzlich kam mir dieser Gedanke in den Kopf und hat alles in mir zerstört (wie ein Tsunami, der eine ganze Stadt in nullkommanichts wegspült). Ich war für lange Zeit in einem Schockzustand, bin wie ein Zombie durchs Haus gelaufen und war überhaupt nicht mehr aufnahmefähig. Da die Situation für mich lebensbedrohlich wurde, rief meine Mutter letztes Jahr an Ostersonntag in der Klinik an. Einen Monat später wurde ich aufgenommen, war somit bis Anfang September (insg. 15 Wochen)Â in tagesklinischer Behandlung. Seit dem (und auch bereits vor der Klinikzeit) bin ich in ambulanter Therapie. Es gab viele Hoch- und Tiefphasen, die ich alle (mehr oder weniger gut) überstanden habe.Â
Doch diesmal ist anders. Ich weiß derzeit kaum, mir zu helfen. Mit anderen Menschen (Familie, Freunde, etc.) mag ich kaum darüber reden, lebe bezüglich der Angst sehr isoliert, mag und kann mich kaum öffnen. Nach außen schein ich kerngesund und glücklich zu sein, im innersten Kern aber jedoch bin ich total aufgewühlt, ängstlich und verwirrt-verzweifelt. Ich habe diesmal jegliche Hoffnung verloren, wieder so zu werden wie früher, als es mir (im Vergleich zumindest) gut ging.Â
Ich denke, wie alles anfing ist definitiv relevant.Â
Ich war nie an Männern interessiert - um Gottes Willen. Ich war immer hetero orientiert. Vor diesem Angstgedanken habe ich mich um dieses Thema nicht gekümmert, einen Anlass dazu gab es auch nicht.Â
Alles fing mit meiner depressiven Verstimmung vor ein paar Jahren an. Damals war ich in ein Mädel verliebt und wurde bitter enttäuscht. Ich fing an, mich an sie zu hängen und kam so auch lange nicht mehr von diesem unerträglichen Schmerz nicht mehr los.Â
Bis ich ein neues Mädel kennengelernt habe. Dann ging es mir wieder echt gut, die Welt war so, wie sie sein sollte - bis auch sie mich versetzt hat und ich wieder getrauert habe. Ihr trauerte ich dann knapp ein 3/4 Jahr hinterher, damals begann ich dann auch erstmals, eine Psychotherapie wahrzunehmen. Ich war mit keinem der Mädels zusammen und trotzdem hat mich die Versetzung so sehr verletzt. Die Sehnsucht nach einer Beziehung stieg demnach extrem an.Â
Ich lernte ein neues Mädel kennen. Ich verliebte mich wieder und war glücklich - und diesmal sollte es auch klappen. Ich war der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt. Ich war mit einem Mädel zusammen, für das ich starke Gefühle empfand. Die Welt war perfekt. Doch dann, nur ein Monat nach Beziehungsbeginn, ging sie auf einen dreimonatigen Austausch nach Frankreich. Dieser Schmerz, den ich durch diesen extremen Entzug spürte, spürte ich noch nie zuvor. Wir waren frisch zusammen und sie war 1.200km weit enfernt.Â
Da begannen dann die ersten Symptome der Angststörung. Nach einem Monat Fernbeziehung bekam ich die panische Angst, mich in ein anderes Mädel zu verlieben. Ich war panisch, total aufgelöst. Sowas kannte ich von mir gar nicht. Im Nachhinein kann ich durch Gespräche in der Therapie sagen, dass diese Angst ein Schutzmechanismus sein könnte, um mich vor der Trauer der Fernbeziehung zu schützen. Um an andere Sachen zu denken, vielleicht eine Ablenkung vor dem eigentlichen Problem. Als meine Freundin nach drei Monaten wiederkam, namen die Symptome ab und es besserte sich.Â
Schlimm wurde es dann richtig, als meine Freundin zwei Monate später endgültig Schluss machte. Für mich kam dies aus dem heiteren Himmel und ich war dementsprechend am Boden zerstört. Bis heute kann ich nicht mehr mit ihr richtig reden, höchstens ein bis zwei drei Wörter.Â
Die Trauer, die Sehnsucht und der Wunsch nach weiblicher Nähe und Liebe wurde immer und immer größer, es sammelte sich ein riesiger Stau an Gefühlen an. Ein paar Monate später fingen die Angstsymptome wieder an. ich bekam die Angst, mich in eine gute Freundin verliebt zu haben. Ich war in mich isoliert, konnte an nichts anderes mehr denken und war für andere abwesend. Diese panische Angst kannte ich in diesem Ausmaße schon. Ich merkte aber, dass ich anfälliger wurde. Dieser Angstgedanke löste sich nach ca. einer Woche, sollte jedoch schnell wiederkommen. Nur einen Monat später bekam ich die Angst, mich in eine Lehrerin meiner Schule verliebt zu haben. Ausgelöst wurde dies, indem ich in einem Filmabspann ihren Vornamen zufälligerweise gelesen habe. Auch dieser Gedanke fesselte mich, ließ mich nicht mehr los, fraß mich auf. Ab diesem Zeitpunkt wurde es wirklich schlimm. Ich musste nur an ein Mädel denken und bekam sofort die Angst, mich in sie verliebt zu haben. Ich musste einem Mädel teilweise nur ins Gesicht schauen - die Angst kam.Â
Mit der Zeit wurde es immer und immer schlimmer, die Angst richtete sich dann nicht mehr nur gegen Mädels, sondern auch gegen Jungs meines Alters. Und irgendwann wurde auch das immer schlimmer, die Altersklasse wurde auch immer irrelevanter. Ich habe einem 60-jährigen Mann ins Gesicht geschaut und der Angstgedanke kam.
Und dann - Osterferien 2019 - kam dann der Angstgedanke, homosexuell zu sein. Diese Angst sprengte alles um etliche Dimensionen.Â
Ich litt unter extremen Kopfschmerzen, ich hatte und habe das Gefühl, dieser Gedanke strömt durch meinen Körper (gerade mein Bauch ist in Krisenzeiten sehr warm und aufgewühlt - falls das jemand kennt), und brüllt mich in extremer Lautstärke an - permanent.Â
Ich entschuldige mich für diesen langen Text. Ich hoffe, er ist nicht ZU lang und jemand hat es bis hier unten geschafft.Â
Es wäre toll, jemanden zu finden, der mich versteht. Der diese Angst vielleicht auch kennt.Â
Grüße, Tom