Was mich beunruhigt - Druckversion +- Forum angst-und-panik.de (https://www.forum.angst-und-panik.de) +-- Forum: Alles zum Thema Angst & Panik (https://www.forum.angst-und-panik.de/forumdisplay.php?fid=3) +--- Forum: Erfahrungsaustausch (https://www.forum.angst-und-panik.de/forumdisplay.php?fid=4) +--- Thema: Was mich beunruhigt (/showthread.php?tid=9229) |
Was mich beunruhigt - Jules - 14.10.2020 Hallo! Ich bin Jules und wurde Anfang September vom Psychologen mit einer Panikstörung diagnostiziert unter der ich schon seit April/Mai leide. Ich sehe meinen Psychologen leider erst im Dezember wieder, aber ich glaube mir tut das immer ganz gut jemandem von meinen Ängsten zu erzählen, besonders Leuten die vielleicht sogar in der gleichen Situation sind und wissen wie sich das anfühlt, denn ich bin nachwievor aus folgendem Grund beunruhigt: Mein Psychologe hat mir zu meiner Diagnose gesagt, dass ich quasi eine Panikstörung "nach Muster" habe. Mein Verhalten, meine Gedanken und meine Symptome seien da ziemlich eindeutig. Das fand ich dann auch schonmal beruhigend, weil mir ehrlich gesagt einfach lieber ist eine Panikstörung zu haben anstatt eine tatsächliche Herzerkrankung. Ich versuche auch jedes Mal wenn es mir besonders schlecht geht daran zu denken und sage mir dann, dass das was ich gerade fühle alles Symptome der Panikstörung sind. Aber manchmal tu ich mich so unglaublich schwer damit! Nämlich in den Momenten in denen ich es gar nicht kommen sehe. Ein Beispiel: Ich sitze entweder im Team-Meeting auf der Arbeit oder bin gerade auf dem Heimweg in der Bahn. Es geht mir vergleichsweise gut. Und plötzlich "überkommt" es mich einfach. Ich hab dann so ein ganz seltsames Gefühl, dass es mich, ich nenns mal "wie eine Welle" überrollt. Und jedes Mal denke ich "Jetzt gehts los." Dann denke ich, ich kipp gleich um, das wars jetzt. Und das wiederrum löst natürlich erst Recht Panik in mir aus und das macht das Ganze im Endeffekt noch schlimmer. In solchen Momenten fällt es mir schwer mir zu sagen, dass es die Panikstörung ist, weil ich den Auslöser nicht erkenne. Und dann frage ich mich "Klar ist mein Job stressig, aber ist es SO stressig, dass er meine Panikstörung begünstigt? Habe ich Angst vor Bahnfahrten oder sonstige unterbewusste Ängste die sich in der Panikstörung äußern?" Genauso furchtbar ist es wenn ich plötzlich mein Herz viel stärker spüre als ich für normal halte. Wenn ich einen Berg hochlaufe, halte ich das für angemessen. Wenn ich aber gerade am Schreibtisch sitze - dann nicht! Oder das allseits bekannte "Herzstolpern". Das ist der Horror. Ich weiß eigentlich, dass das normal ist, dass es öfter vorkommt. Aber meiner Meinung nach ist dass dann immer "zu oft" oder "zu stark" oder zu sonstwas. Ich fühle mich grundsätzlich auch ab Dämmerung viel schlechter als tagsüber. Sobald die Sonne untergeht fühle ich mich viel eher unwohl. So bedrückt irgendwie. An manchen Tagen geht es mir so gut, dass ich denke ich bin geheilt. Ich bin dann der Meinung ich habe endlich verinnerlicht, dass meine Ängste nicht rational sind. Und an anderen Tagen geht es mir dann so schlecht, ich traue mich nichtmal Pläne für den nächsten Tag zu machen. Ich denke mir dann "Ich MUSS doch irgendwas haben!" Kennt das jemand? Dass die Panik so ganz plötzlich da ist? Oder dass es abends schlimmer wird? Habt ihr manchmal Zweifel daran, dass euer Problem "nur" psychisch ist? (Ãœbrigens war ich, bevor ich beim Psychologen gelandet bin, bei sämtlichen Fachärzten, bin also mehrfach durchgecheckt worden ohne körperliche Anzeichen auf irgendeine Krankheit.) Achja und ich weiß nicht, ob es relevant ist, aber ich habe zusätzlich auch eine Zwangsstörung, die habe ich allerdings seit einigen Jahren, aber ich glaub, die und meine Panikstörung gehen mittlerweile Hand in Hand. Ãœber Antworten würde ich mich freuen J RE: Was mich beunruhigt - DoubleYou - 15.10.2020 Lieber Jules, ich kenne das alles nur allzu gut. Du schreibst: „Und plötzlich "überkommt" es mich einfach. Ich hab dann so ein ganz seltsames Gefühl, dass es mich, ich nenns mal "wie eine Welle" überrollt. Und jedes Mal denke ich "Jetzt gehts los." Dann denke ich, ich kipp gleich um, das wars jetzt. Und das wiederum löst natürlich erst Recht Panik in mir aus und das macht das Ganze im Endeffekt noch schlimmer.“ Genau so läuft es ab, eine Welle. Das sind Hormone und Botenstoffe, die da ausgeschüttet werden und in dieser Situation glaubt man, nichts mehr machen zu können. Doch man kann! Je schneller man ist und je konzentrierter, desto größer die Chance, wieder herauszukommen. Du weißt ja, wie dann die Angstgedanken losrasen und ein Teufelskreis von Angst und Panik losgeht. Wenn man sofort beginnt, sich bewusst selbst zu beruhigen, zum Beispiel durch Bauchatmung, wenn es geht raus an die Luft und bewegen, aktiv werden, Herr der Lage sein, immer voll bewusst und zielgerichtet, dann kann das Ganze wieder abklingen. In einem Meeting ist es erschwert, da könnte man aber kurz austreten oder eine Akte dazuholen, und sich draußen mit kaltem Wasser das Gesicht waschen. Das k a n n sehr hilfreich sein. Raus aus der einsetzenden Lähmung. „An manchen Tagen geht es mir so gut, dass ich denke ich bin geheilt. Ich bin dann der Meinung ich habe endlich verinnerlicht, dass meine Ängste nicht rational sind. Und an anderen Tagen geht es mir dann so schlecht, ich traue mich nichtmal Pläne für den nächsten Tag zu machen.“ Du siehst, du bist ganz normal. Die Ängste, auch Zwänge, sind überschießende Gedanken und Gefühle. Ich halte Menschen mit Zwangs- und Angststörungen für ganz normal, sie reagieren mit den überschießenden Emotionen auf eine Welt, die stressig ist und viel zu wenig auf Menschen und deren wahre Bedürfnisse eingeht. Wer ein fühlendes Wesen ist und nur noch funktioniert, der wird sich über kurz oder lang eben schlecht fühlen. Oder er erkennt es, sorgt für sich und seinen inneren Frieden und gewinnt seine wahre Lebensfreude zurück. Jeder hat das Recht, anerkannt zu werden und sich angenommen zu fühlen. Mutmachende Grüße. DoubleYou RE: Was mich beunruhigt - FredFred - 15.10.2020 Hallo Jules, du schreibst, du kannst in den Situationen, wo die Panikattacken auftreteten, den Auslöser nicht erkennen. Wenn du im Meeting oder in der Bahn sitzt, ist nicht dass Meeting selber oder die Bahn an sich der Auslöser, sondern die Situation, in der du dich grade dort befindest. Im Meeting könntest du natürlich jederzeit aufstehen und rausgehen. Das macht man aber natürlich nicht, man ist theoretisch gewzungen, dort sitzen zu bleiben. Was könnten denn die Kollegen denken?? Und genau DAS löst die Panikattacke aus. Der Zwang, der in diesem Augenblick herrscht, in der Situation verweilen zu müssen, ist der Auslöser der Attacke. In der Bahn ist es ähnlich. Dort könntest du nichtmal theoretisch aufstehen und rausgehen, dort musst du sitzen bleiben bis die Bahn wieder anhält. Genau das ist die Situation, die die Panikattacken auslöst. In beiden Situation erlebst du einen starken Kontrollverlust. Weder beim Meeting noch in der Bahn kannst du frei entscheiden, was du machen willst, du musst die Situationen durchstehen. Oftmals sind solche Situationen der Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt. Viele Patienten haben jahre- oder jahrzehntelang unter solchem Kontrollverlust gelitten, meist ohne Symptome und oft auch ohne dass sie es als belastend erlebt haben. Das kann zum Beispiel als Kind oder Jugendlicher gewesen sein, als vielleicht alle Entscheidungen von den Eltern abgenommen wurden, oder viel Druck von den Eltern in der Erziehung ausgeübt wurde, vielleicht sogar Gewalt (körperlich und seelisch) ausgeübt worden ist, also kompletter Kontrollverlust. Auch wenn man das damals nicht als belastend empfunden hat, die Seele speichert als das ab und vergisst nichts. Und genau dann passieren solche Sachen im Meeting oder in der Bahn: Der Psyche werden an einer realen Situation alle diese frühreren Vorfälle wieder vor Augen geführt, und diese reagiert prompt mit einer Panikattacke. lg RE: Was mich beunruhigt - lioola - 15.10.2020 Hallo Jules, ich kenne das Gefühl sehr gut. Ich weiß eigentlich auch das meine Symtome von meiner Angststörung kommen, kann das aber nicht immer wirklich glauben. Oft suche ich nach Gründen und zerbreche mir den Kopf. Das ist echt schwer. Eine Panikstörung sucht es sich nicht aus warum sie kommt, oder misst die Stressigkeit deines Jobs. Sowas ist menschlich bedingt und du wirst bei dem Psychologen bestimmt herausfinden warum das so ist und der Sache auf den Grund gehen. Dann kannst du das alles besser verstehen. Seit August geh es mir ähnlich wie dir. War auch bereits beim Arzt und fange nächste Woche eine Therapie an. Was mir besonders hilft, ist Zeit in der Natur und spazieren an der frischen Luft. Danach geht es mir meist besser. Grüße RE: Was mich beunruhigt - Gopi - 16.10.2020 Hallo Jules, was Du beschreibst, ist absolut typisch und drum werden sich in Deinem Beitrag viele wiederfinden Die anderen Einträge fassen die wesentlichen Aspekte von Angst- und Panikstörungen für zusammen, inklusive wichtiger therapeutischer Hinweise (Atemübung, Entspannung, Natur, psychologische Therapie). Damit hast Du das Rüstzeug zusammen. Ausser ein paar individuellen Anpassungen ist das auch alles, was Du benötigst. Es handelt sich bei Angst und Panik (weiter Zwang etc) zweifelsfrei um Erkrankungen, und zwar aus dem Kreis der Neurosen. Die entsprechenden Symptome wurden bereits in der Antike und in der Bibel beschrieben. Das ist also kein Phänomen der Gegenwart und ihren Herausforderungen. Zu allen Zeiten mussten die Leute mit ihrem Umfeld irgendwie klar kommen. DAs gelingt immer manchen besser, manchen schlechter (Hipokrates beschrieb, dass sich das Herz bei Freude erweitert und bei Angst zusammenzieht). Das Problem ist seit jeher, dass es kein organisches Korrelat gibt (also keine Behandlung einer körperlichen Fehlfunktion möglich), da sich die Sache im Kopf abspielt. Und da liegt er Hase im Pfeffer. Die Hilfe kommt nicht von aussen, sondern liegt in Dir selber. Das heisst, die Ratschläge , die Therapie und so weiter sind immer nur Denkanstösse und Optionen, die jeweils der einen oder anderen Person geholfen haben mögen. Du must am Ende das herausfinden ,was Dir nutzt, mit Unterstützung. Und erst, wenn Du den Druck nicht mehr verspürtst, beim Arzt, beim Fourm oder bei sonstwem um Hilfe anzufragen, sondern weisst, dass Du das mit Dir selber abmachen kannst, bist Du der Neurose mindestens teilweise entronnen. RE: Was mich beunruhigt - Jules - 16.10.2020 Vielen Dank für die Antworten! Es ist immer gut zu wissen, dass man da kein Einzelfall ist. Das "normalisiert" das Ganze etwas und lässt es weniger bedrohlich erscheinen. Ich werd einfach weiter an meiner Entspannung üben, ich bin da zuversichtlich, dass es besser wird. Hoffe euch gehts gut! LG Jules |