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Da bin ich - seeregenpfeifer - 06.04.2018

Hallo,

ich bin 40 Jahre alt, männlich, und leide seit fast 20 Jahren unter Panikattacken bzw. einer, wie ich jetzt feststellen musste, generalisierten Angststörung.
Begonnen hat das schon als kleines Kind - Angst hatte ich immer, sensibel war ich auch schon immer. 
Bei mir haben ganz alltägliche Situationen, die für andere Menschen normal sind, Angst, Stress, Panik, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit verursacht.
Ich habe mich da regelrecht hineingesteigert, bis ich in einer Gedankenspirale drinnen war, die sich immer schneller und bedrohlicher gedreht hat.

So um das 20. Lebensjahr sind dann auch körperliche Symptome hinzugekommen: Herzrasen etc. - und irgendwann dann die erste richtige Panikattacke: in der Straßenbahn.
Dachte: "Das war's jetzt, so fühlt es sich an, wenn man stirbt".
Arzt aufgesucht, Diagnose: Schwere Depressionen + PTBS (hatte einen schweren Unfall, nach dem das alles dann so langsam anfing).

In den letzten fünf Jahren war ich relativ beschwerdefrei, erst so seit 1-2 Jahren fing es wieder an, allerdings meist anders als damals.
Das starke Herzrasen ist weg, jetzt hyperventiliere ich stärker, habe Drehschwindel, Unwirklichkeitsgefühle, weiche Knie, und mitunter über Tage hinweg einen Kloß im Hals, Verkrampfungen der Gesichtsmuskulatur, Schulter etc.
Bin dann komplett verspannt, steigere mich so hinein, dass ich nicht mehr richtig atmen kann, einen total trockenen Mund bekomme, und auch Schluckstörungen habe, weil einfach kein Speichel mehr da ist, oder ich 3,4 mal hintereinander schnell schlucken möchte, um die Angst wegzukriegen - schwer zu erklären. Wenn ich mich entspannen kann habe ich das alles nicht.


Dazu bin ich total geräuschempfindlich, jede Kleinigkeit lässt meinen ganzen Körper verkrampfen, sodass ich steif wie ein Brett werde und hyperventiliere.
Diese Episoden haben immer einen konkreten Auslöser, z.B. Jahresende, mein Geburtstag, Veränderungen oder Unsicherheiten im Job, unspezifische Ängste, die plötzlich hochkriechen wie "Was, wenn meine Eltern sterben?" etc.

Monatelang habe ich nichts, dann regt mich wieder irgendeine Kleinigkeit so auf, dass ich in einen Teufelskreis einsteige: Angst vor der Angst, nicht aus dem Haus gehen wollen, Verspannungen, Panik - ich weiß dann oft tagelang nicht, wie ich meinen Alltag bestreiten soll.
Wenn ich abgelenkt (oder an einem "sicheren" Ort) bin, ist es besser oder ganz weg.
Diese Episoden überstehe ich meist nur dann, wenn ich mich total betrinke und quasi ein "Reset" mache - dann ist es am nächsten Tag besser und es geht wieder einige Zeit, bis der nächste Auslöser da ist, in den ich mich hineinsteigere (aktuell der Tod eines Freundes vor einigen Monaten, der mich nicht zur Ruhe kommen lässt - dazu Stress und Perspektivlosigkeit im Job).

Ich würde mich so beschreiben:
Ich kann generell schwer loslassen und bin stets wegen irgendwas beunruhigt. Total selbst- und körperzentriert. Höre ständig in meinen Körper hinein, jedes Ziepen, Fiepen, Grummeln, etc. macht mir Angst. Ich bin ein totaler Hypochonder mit Herzphobie und stark ausgeprägter Agoraphobie.
Die Herzphobie lässt mich total verkrampfen, linker Arm ist im Gehen oder Sitzen ständig gegen den Körper gepresst, Schulter bis oben hin angespannt, alle Muskeln am Körper so angespannt, dass man darauf eine Kokosnuss knacken könnte. Eine Extrasystole einmal in drei Minuten macht mich schier verrückt und verspannt mich tagelang. Ich habe das Gefühl, dass ich mich selbst verkrampfe, und dann "gegen mich selbst atme" = gegen mich selbst ankämpfe, weil ich eine hochkriechende, sich ankündigende Panikattacke nicht ausbrechen lassen möchte. Sie also über den Hals nicht herauskommt -> Globusgefühl. Dieser "Stau" macht das mit dem Körper, was er macht. E
Ich habe versucht, loszulassen und mich auszuheulen - aber ich kann nicht mehr weinen, es bleibt mir alles stecken.

Wenn ich abgelenkt oder alkoholisiert bin, bzw. auch in den ersten Stunden morgens habe ich ... NICHTS. 

Derzeit bin ich nicht in Behandlung, aber ich muss nächste Woche etwas tun, denn das ist so keine Lebensqualität.
Ich hoffe, dass mich das Forum hier ein bisschen ablenkt und ich mir ein paar Anregungen holen kann.
Viele Grüße und alles Gute euch Allen.


RE: Da bin ich - Karin - 07.04.2018

Hallo Seeregenpfeifer,

herzlich willkommen bei uns im Forum.
Sicher weißt du, dass der Alkohol keine Lösung deines Problems ist. Ich würde da eher eine Therapie und Entspannungsübungen empfehlen. Vielleicht solltest du auch mehr Dinge tun, die dich ablenken und dir gut tun.

Gruß
Karin


RE: Da bin ich - seeregenpfeifer - 07.04.2018

(07.04.2018, 11:04)Karin schrieb: Hallo Seeregenpfeifer,

herzlich willkommen bei uns im Forum.
Sicher weißt du, dass der Alkohol keine Lösung deines Problems ist. Ich würde da eher eine Therapie und Entspannungsübungen empfehlen. Vielleicht solltest du auch mehr Dinge tun, die dich ablenken und dir gut tun.

Gruß
Karin

Hallo Karin,
danke für deine Antwort!
Ja, ich weiß, dass der Alkohol nichts bringt. Ich trinke jetzt auch seit ca. einem Monat keinen Tropfen mehr.
Vielleicht hatte ich auch schon ein Alkoholproblem - und jetzt, wo ich ihn nicht mehr zum "Festhalten" habe, bin ich unentspannt. Das muss ich mir wohl selbst eingestehen...


RE: Da bin ich - Karin - 07.04.2018

Möglich, dass du schon ein Alkoholproblem hattest, aber du bist ja fertig damit.
Vielleicht hilft es dir auch etwas, wenn du mal raus gehst, wenn es dir nicht so gut geht.
Eventuell ist auch bei unserem Erste Hilfe Thema was für dich dabei.


RE: Da bin ich - Ine-76 - 09.04.2018

Hallo Seeregenpfeifer,

in manchen deiner Worte finde ich mich wieder. Die ngste wandern auf und ab. manchmal weiß ich gar nicht was ich fprchte oder es ist so gegensätzlich was mich ängstigt.
Ich habe Angst irgendwann mal ganz alleine zu sein. Bin jetzt 40 Jahre alt, habe einen Freund, meine Eltern gibt es noch, viele Freunde habe ich nicht weil ich mich sehr abgekapselt habe eine Weile. Im Grunde habe ich nur 3 Freunde von denen 2 weit weg wohnen.
Momentan beschäftigt mich auch sehr der Tod meiner Eltern. Sie sind mein größter Halt. Ich kann und will nicht ohne sie sein.
Ihr Verlust steht aber auch für drohende Einsamkeit. Die Beziehung läuft auf und ab was bestimmt mit meinen Ängsten zu tun hat.
Es gibt halt gute und schlechte Tage. Mein Partnerschaft hinterfrage ich oft. Weiß nicht wie oft ich an Trennung dachte.Smile
Und um ehrlich zu sein weiß ich auch nicht ob es besser werde. Ich bin momentan nicht stark genug auch noch die Probleme meines Partners zu tragen und er hat auch einige. klingt egoisisch. Ist aber nur realistisch.
Ob eine Therapie für dich das richtige ist mußt du für dich entscheiden. Ich habe zuviel Zweifel das es das richtige für mich ist. Wer weiß was noch passiert. Das mit dem Alkohol. Du weißt das Alkohol die körperlichen sympthome noch verschlimmern kann? Aber du hast ja geschrieben das du damit aufgehört hast.
Damit hast du den ersten Schritt schon getan. Find ich super!
Und ich hoffe für dich das du deine Ängste so in den Griff bekommst das dein Leben wieder lebenswerter ist. Ich weiß wie sch... es ist sich täglich dem Mist stellen zu müssen.

LG Ine


RE: Da bin ich - seeregenpfeifer - 13.04.2018

Hallo Ine!
Vielen Dank für deine Antwort! Ich finde mich in deinen Worten auch wieder:
(09.04.2018, 21:32)Ine-76 schrieb: Momentan beschäftigt mich auch sehr der Tod meiner Eltern. Sie sind mein größter Halt. Ich kann und will nicht ohne sie sein.
Ihr Verlust steht aber auch für drohende Einsamkeit. 

Das ist das, was mir momentan, glaube ich, am meisten Angst macht - dann plötzlich alleine dazustehen. Meine Geschwister sind alle weit, leben tw. auf anderen Kontinente. Ich bin der einzige von den Kindern, der noch da ist.

Ich habe oft so Situation, da verabschiede ich mich von meinen Eltern, wenn wir uns wo getroffen haben, und bekomme Angst, weil ich mir sage, es könnte das letzte Mal gewesen sein. Es stauen sich dann so viele negative Gedanken in mir auf - denke an die schönen Situationen mit meinen Eltern in der Kindheit und fürchte mich davor, das irgendwann nicht mehr erleben zu können.

Ich habe mich ein paar Tage nicht gemeldet, weil ich mit mir beschäftigt war. Ich war beim Arzt, der meinte, jetzt mit 40 sollte ich mir mal überlegen, wie ich mein weiteres Leben gestalten möchte.
Außerdem habe ich mich für eine Selbsthilfegruppe angemeldet - der Austausch mit Betroffenen tut mir glaube ich gut, da es in meinem Umfeld niemanden gibt, der ähnlich betroffen wäre. Ich möchte nichtmal sagen, dass ich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis niemanden habe, der mich nicht verstehen würde - eigentlich hat jeder, der meine Situation kennt, Verständnis für mich. Aber in letzter Konsequenz eben nicht für die Panikattacken und Angststörung, weil sie nicht wissen, was das ist, und es noch nie am bewusst am eigenen Leib erlebt haben.

Momentan habe ich wieder eine "gute" Phase. Ich kann wieder raus, ohne gröbere PAs zu bekommen, und meine Grundspannung ist deutlich geringer, als zu dem Zeitpunkt, als ich dieses Thema eröffnet habe. Ich hoffe, das bleibt noch eine Zeit so...


RE: Da bin ich - Ine-76 - 14.04.2018

Hallo Seeregenpfeifer,

das klingt doch gut das du momentan das Leben etwas mehr genießen kannst.
Ganz so schlimm ist es bei mir nicht das ich mich von meinen Eltern verabschiede und habe Angst sie nicht wiederzusehen.
Sie wohnen ganz in der Nähe. Keine 5 Minuten von mir und ich sehe sie fast täglich. Allerdings wenn ich mit einem von ihnen einen richtig schönen Tag erlebt habe bin ich, wenn ich wieder zu Hause bin, unendlich traurig das der Tag vorbei ist und würde ihn gerne festhalten anstatt mich auf das nächste Erlebnis zu freuen.
Ich unternehme ab und an was mit meinen Eltern und nur bei ihnen kann ich so sein wie ich bin. Ich bin zwar nicht angstfrei, aber ich fühle mich sicher.
Aber die Gedanken an ihren Verlust machen mich wahnsinnig.
Ich mache sogar immer noch 1x im Jahr mit ihnen gemeinsam Urlaub, und einmal eine Städtereise mit meiner Mutter. Dachte lange Zeit das ist nicht normal mit 40. :Smile
 Aber ich habe Kollegen die das auch machen und "angstfrei" durchs Leben gehen. Natürlich reise ich auch mit meinem Freund und ein Kurztrip mit kollegen steht auch auf dem Plan. Das mache ich aber nur um mich nicht auszugrenzen. Wohl fühle ich mich nie dabei und bin froh wenn es vorbei ist.Smile

Ãœber eine Selbsthilfegruppe habe ich auch nachgedacht. Meine Sorge ist nur, ich arbeite mit vielen Menschen, habe einen Job in dem man besser nicht mit einem psychischen Problem hausieren geht denn es kann durchaus zur Kündigung führen. Habe Angst dort auf Menschen zu treffen denen ich im Job begegne. Einer kollegin ist es so ergangen. Sie leidet an Depressionen und Selbstverletzungsimpulsen. Fehlt auch viel auf der Arbeit. Ist sie da versucht sie ihre Krankheit vom Job zu trennen. Trotzdem gab es jetzt ein Gespräch bei dem sie angehalten wurde ihre Probleme in den Griff zu kriegen sonst darf sie gehen. Finde ich schon krass.
Aber das brauche ich nicht auch noch.
Momentan suche ich nach dem geeignesten Weg nach vorne zu gehen. Therapie? Wenn ja, welche?
Mut aufzubringen mir ein neues Hobby zuzulegen durch das ich meine eigenen Wände verlassen muß um neue Kontakte zu finden und mich Ängsten zu stellen.
Was auch immer. Ich wünschte mir es gäbe jemanden der mir sagen könnte wie.

Liebe Grüße Ine